Was kann junge Ärzte für Gastroenterologie und Hepatologie begeistern?

Eine von der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH) und der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) in Auftrag gegebene Studie prognostiziert eine Zunahme von Patienten mit gastrointestinalen Beschwerdebildern um ca. 5 % innerhalb der nächsten Dekade.1
Zudem erwarten wir einen steigenden Bedarf an gastroenterologisch-hepatologischer Vorsorgemedizin (z. B. Vorsorge-Koloskopie, -Sonografie, -Gastroskopie), an aufwendigen medikamentösen und interventionellen Therapien und eine steigende Relevanz von Rehabilitation in unserem Fachbereich und damit verbunden einen erhöhten Personalbedarf. Verschärfend geht die aktuelle gemeinsame Versorgungsstudie von ÖGGH, ÖÄK und dem Institut für höhere Studien (IHS) von einer Abnahme der Leistungserbringer um 27 % in der nächsten Dekade aus.1 Es erscheint daher sehr angebracht und zeitgemäß, wenn die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS) auf ihrer Website für den Nachwuchs in der Gastroenterologie mit dem Slogan „Die Welt braucht Ärzte für den Bauch!“ wirbt und dort niedrigschwellig, fundiert und klar über unser Fach, unseren Berufsweg informiert und bereits um KPJler wirbt.2 Der vorliegende Artikel hat das Ziel eines Denkanstoßes.

Young GI der ÖGGH

Wen wollen wir für unser Fach gewinnen?

Naturgemäß wollen wir für unser Fach die besten Studierenden „fischen“, die aktuell zur Gruppe der Generation Z (die Jahrgänge 1995–2012 betreffend) gezählt werden.3 Dabei handelt es sich um die erste Generation, die ihr gesamtes bisheriges Leben Internet und soziale Netzwerke zur Verfügung hatte und allgegenwärtig mit neuen Technologien lebt. Es lohnt sich daher für Führungskräfte bzw. Arbeitgeber, einige der Generation Z zugeschriebenen Spezifika zu kennen, um sich darauf adäquat einstellen zu können (Tab.).

 

 

Besonders erwähnenswert ist, dass der Generation Z Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber von keinem hohen Wert ist. Sie wünschen sich im Leben eine klare Trennung zwischen Privat- und Berufsleben. Der Beruf wird in seiner Bedeutung klar hinter Familie und Freizeit gereiht. Sie haben kein Interesse, sich außerhalb ihrer Arbeitszeit mit Berufsproblemen zu beschäftigen, achten auf ihr emotionales Wohlergehen und fürchten das Burnout-Syndrom. Wir möchten zugleich klarstellen, dass diese Einschätzungen, Vorstellungen und Wünsche der Generation Z nicht uneingeschränkt unseren eigenen Wahrnehmungen, Wunschvorstellungen oder Zielen entsprechen. Auch sollten diese Merkmale und Bedürfnisse ohne evidenzbasierte pädagogische Konzepte nicht zu prämaturen (Aus-)Bildungsreformen oder gar Schnellschüssen verleiten.

Als ÖGGH versuchen wir neue Ausbildungswege zu erschließen und uns den Herausforderungen kommender Generationen positiv zu stellen. Beispielhaft möchten wir hier erprobte und sehr gut angenommene Hands-on-Lernangebote wie Kurse im Bereich der Endoskopie, aber auch neue zu entwickelnde Formate wie eine „GI Summerschool“ für Studierende und Train-the-Trainer-Programme für Ausbildungsoberärzte nennen.4 Auch neue Wege des Simulationstrainings und des fallbasierten Lernens sind auszubauen (Abb.).

 

 

„Erweckungserlebnis“

Was begeistert junge Ärzte für ein Fach und im Speziellen für die Gastroenterologie/Hepatologie? Viele Angehörige der Generation der Autoren werden an erster Stelle begeisternde, faszinierende Berufsvorbilder als mögliche Trigger ihrer Berufswahl erinnern. Die Vorbildwirkung scheint uns in der Medizin deswegen essenziell, weil unsere Fachdisziplin eine für uns einmalige Kombination aus breitem, organübergreifendem, theoretischem Wissen, manuellem Geschick und Persönlichkeitsbildung verlangt. Wichtig erscheint uns auch, was wir ein Erweckungserlebnis nennen wollen, das einen Motivationsschub auslösen kann. Bei Prim. Univ.-Prof. Dr. Rainer Schöfl war dies der Besuch eines japanisch-deutschen Endoskopiker-Workshops in München zum Thema „Cholangioskopie“ Ende der 1980er-Jahre, als das in Österreich noch kein Thema war; bei Univ.-Prof. Dr. Peter Fickert waren es die brillanten, symptomorientierten Fallvorstellungen von Univ.-Prof. Dr. Günter J. Krejs.

Anreize schaffen: Für die allermeisten von uns ist ein abwechslungsreiches Berufsleben mit der Kombination von intellektuellen Herausforderungen und handwerklichen Tätigkeiten ein Hauptmotiv. Für die kommende, zu suchende Generation Auszubildender sind ein in der Gastroenterologie/Hepatologie nötiger Teamgeist und die geforderte Interdisziplinarität zusammen mit sich rasch entwickelnden diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten mit Sicherheit auch ein großer Anreiz. Wir glauben, dass die große Bandbreite unseres Faches – von den funktionellen Störungen des GI-Traktes über entzündliche Erkrankungen infektiöser oder immunologischer Natur bis hin zu onkologischen Erkrankungen und zur Transplantationsmedizin – eine große Faszination ausübt. In unserem klinischen Alltag beschäftigen wir uns mit einer Vielzahl verschiedener Organe, spannender Physiologie und Pathophysiologie sowie mit interessanten Differenzialdiagnosen mit einem breiten diagnostischen und therapeutischen Spektrum. Zudem müssen wir uns als Viszeralmediziner auch großen psychosomatischen Herausforderungen stellen! Unser Fachbereich ist wie wenig andere eng mit anderen Fächern vernetzt. Es gibt täglich Berührungspunkte zu fast allen Fachbereichen von A wie Anästhesiologie bis Z wie Zahnheilkunde. Sehr enge Zusammenarbeit besteht mit Fächern wie Chirurgie, Radiologie und Nuklearmedizin sowie zur Labordiagnostik und Mikrobiologie, um nur einige zu nennen. Neben der interdisziplinären Vernetzung erleben wir auch eine starke interprofessionelle Verzahnung mit Psychologen, Diätologen, Stomatherapeuten, Physiotherapeuten und anderen.

Wichtigste Teilbereiche und damit auch Entwicklungsfelder für junge Kollegen in unserem Fach sind Endoskopie, Hepatologie, chronisch entzündliche Darmerkrankungen bzw. Immunologie und funktionelle Diagnostik sowie funktionelle und psychosomatische Störungen. Wir haben den Eindruck, dass sich junge Kollegen besonders von der Endoskopie und dabei vor allem von der interventionellen Endoskopie angezogen und fasziniert fühlen. Wir glauben auch, dass gastroenterologische Notfälle und die damit verbundene Intensivmedizin hohe Anziehungskraft haben. Es macht unser Fach spannend, aber auch sehr herausfordernd, dass es einen großen Teilbereich der Inneren Medizin abdeckt.

Ausbildungsangebot der ÖGGH

Es ist uns bewusst, dass wir aufgrund der Größe unseres Faches und der Diversität der Herausforderungen im Spannungsfeld zwischen geforderten Fallzahlen und steigenden Qualitätsansprüchen eine klar strukturierte Ausbildung mit realistischen Zielen brauchen. Hier braucht es kontinuierliche Anpassung und Weiterentwicklung mit Augenmaß. Die ÖGGH kümmert sich für unsere Jugend seit Jahrzehnten um die Spezialausbildung in Endoskopie, um Sedierungskurse, um Hospitationen (auch im Ausland), um Unterstützung bei der Facharztprüfung durch Mitfinanzierung von Vorbereitungskursen sowie um ein breites Programm an theoretischer und praktischer Weiterbildung (z. B. Kurse in GI-Psychosomatik, Sonografie, funktionelle Diagnostik im GI-Trakt, invasive Hepatologie).4 Zu den bereits bestehenden Angeboten wollen wir mit einer „Summerschool“ Studierende für unser Fach begeistern. Wir wollen unsere Lehr- und Lernkonzepte weiter modernisieren (d. h. vermehrtes digitales und On-Demand-Angebot) und auf fallbasiertes, aktives Lernen (= „flipped classroom“) und eine möglichst zielgerichtete Abstimmung von Lerninhalt und Prüfungsinhalt (= „constructive alignment“) mit maximalem Praxisbezug setzen. Unsere nationalen Ausbildungsziele sollen sich an den im Blaubuch des Europäischen Facharztverbandes (UEMS) für den europäischen Raum festgelegten Zielen orientieren.5 Dafür müssen wir auch gemeinsam ein entsprechendes Ausbildungscurriculum entwickeln. Die Tutoren und Lehrenden sollen in Train-the Trainer-Programmen geschult werden, und ein österreichweites Netzwerk für klinischen Austausch und für gemeinsame Nutzung von Lernprogrammen soll geschaffen werden.

Forschung

Was macht die Gastroenterologie und Hepatologie in der Forschung für junge Kollegen interessant?
Es öffnen sich ständig neue spannende Forschungsfelder wie der Zusammenhang von Darmmikrobiom und Stoffwechsel oder Karzinogenese, die neu entdeckten Regelkreise einer Darm-Leber-Achse oder Darm-Hirn-Achse, neue gastrointestinale Hormone und Zusammenhänge von Neurologie und Immunologie im Magen-Darm-Trakt. Zudem stehen neue diagnostische und therapeutische Möglichkeiten vor oder in ihrer klinischen Erprobung/Anwendung (z. B. siRNA-Therapien, neue Stent- und Drainagemöglichkeiten wie LAMS). Wir vertreten ein dynamisches, zukunftsträchtiges Fach mit hochspannenden und innovativen Forschungszweigen!

Gesellschaftspolitik

Was möchte die ÖGGH gesellschaftspolitisch mitentwickeln und beeinflussen? In unserer wissenschaftlichen Gesellschaft gibt es eine Sektion „Junge Gastroenterologie“ mit Beiratssitz im Vorstand. So können junge Mitglieder das Programm der Jahrestagung mitgestalten. Eine Reihe von Preisen und Förderungen der Gesellschaft sind durch ein Alterslimit geschützt. Obwohl in den USA 50 % aller Medizinstudierenden Frauen sind, arbeiten nur 13 % als praktizierende Gastroenterologinnen.6 In Österreich gibt es derzeit 339 ÖGGH-Mitglieder mit Zusatzfachqualifikation Gastroenterologie und Hepatologie, 33 % davon sind Frauen.1 Wir wollen den bei uns bestehenden Gendergap durch spezielle Frauenförderprogramme verbessern, uns um die Kinderbetreuung bei Kongressen und Kursen kümmern, helfen, kreative Angebote für Teilzeitarbeit mitzuentwickeln, und neue Formen der Zusammenarbeit vorschlagen. Neue Modelle für viszeralmedizinische Versorgungszentren sind notwendig, in denen Gastroenterologen Chirurgen, Labormediziner und Radiologen eng kooperieren. Zudem wollen wir abgestufte Versorgungskonzepte (Hausarzt/Allgemeinmediziner – niedergelassene Fachärzte – ambulanter/stationärer Bereich/Versorgungsauftrag im Standard-, Schwerpunkt- und Zentralkrankenhaus) in unserem Fachbereich erarbeiten und vorschlagen. Die Zukunft unseres Faches in diesen Bereichen gesellschaftspolitisch aktiv mitzugestalten, sollte die Bandbreite und damit die Attraktivität unseres Faches für den medizinischen Nachwuchs weiter erhöhen.

 

 

Wir erwarten mit Spannung eine Diskussion unserer hier vorgestellten Ideen.
Melden Sie sich gerne per
E-Mail: peter.fickert@medunigraz.at,
rainer.schoefl@ordensklinikum.at


  1. „Versorgungsstudie Gastroenterologie und Hepatologie Österreich“ der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie und der Österreichischen Ärztekammer durch das Institut für Höhere Studien, unpubliziert
  2. https://www.gastroenterologie-machen.de
  3. Eckleberry-Hunt J et al., J Grad Med Educ 2018; 10(4):378–81
  4. https://www.oeggh.at
  5. https://www.eubogh.org/blue-book/
  6. Feliu-Dominguez R et al., Dig Dis Sci 2017; 62(1):13–15